Drei Gedichte zum Thema "Lyrik & Technik
Bits und Lyrik
Als der Technik wahres Kunst- und Wunderwerk
präsentierte man ihn vor fast fünf Jahrzehnten.
Früh bereits galt deshalb auch mein Augenmerk
einem eigenen PC – dem lang ersehnten.
Ich versank mit Ehrgeiz und Begeisterung
in des neuen Faches Informatik Tiefen,
lernte selbst und lehrte darauf Alt und Jung
mit dem Ziel, dass wir den Fortschritt nicht verschliefen.
„Blinder Technikglaube hat ihn isoliert
von Kultur, den Menschen und den Lebensfragen.
Er scheint mittlerweile selbst schon programmiert!“,
hört‘ ich Leute hinter meinem Rücken klagen.
Sollte wirklich niemand aus der Redner Schar
von mir wissen, dass ich schon seit vielen Jahren
auch ein treuer Freund der Poesiekunst war?
Oder war man gar des Irrtums sich im Klaren?
Nun – dann ist es hier und heute an der Zeit
sturer Köpfe Vorurteile aufzubrechen.
Wenn ein Informatiklehrer Verse reiht,
können Bits und Lyrik sich nicht widersprechen.
Der Sonett-Algorithmus
Man wähle solche Jamben, die adrett
zu fünft im Rhythmus vor den Reimen tanzen,
die – sich umarmend zu Allianzen –
beschließen je vier Verse zum Quartett.
Beileibe doch ist das noch kein Sonett!
Man meide auch thematisch Diskrepanzen
zur Form, die dialektisch – gleich Bilanzen –
sich’s Für und Wider schreibt aufs Etikett:
Das führende Quartett birgt eine These,
auf dass man dann im nächsten weiterlese,
wie ist die Antithese formuliert.
Es folgt – was sinnhaft sich Synthese nennt,
die ihren Platz in zwei Terzetten kennt
und das Sonett zum Dreiklang komplettiert.
Poematik
Das Schema der Reime gehorcht Algorithmen,
das Versmaß zwingt Silben zum Rhythmus nach Norm –
doch Köpfen, die geistreich dem Inhalt sich widmen,
verdankt erst ‘s Poem die vollendete Form.
© H.W.L. Juni 2024